Dieser offene Brief bezieht sich auf einen Artikel aus der Ausgabe 02/2020 der Zeitschrift “E&W”, welche als Mitglieder-Zeitschrift der Lehrergewerkschaft GEW herausgegen wird. Der betreffende Artikel “Braune Schnittmengen” findet sich hier auf Seite 20:
Tag: Bildungsfreiheit
Am heutigen 8. November 2018 starb eine junge Frau in Halle Sachsen-Anhalt, nach einem Sturz vom Balkon, weil Polizisten sie in den Jugendarrest verbringen wollten. Der Grund: Schulverweigerung.
Ein schrecklicher, tragischer, sinnloser Tod, der nur auf Basis einer schreiend ungerechten Gesetzeslage passieren konnte. Jedes Jahr werden in Deutschland über zehntausend Kinder in Jugendarrest verbracht. Ein großer Teil davon wegen Schulpflichtverletzung. Viele hundert Schüler nehmen sich jedes Jahr das Leben.
Damit muss Schluss sein! Diese Ungerechtigkeit, darf nicht weiter fortbestehen. Wenn ein junger Mensch sich aus freiem Willen heraus gegen den Schulbesuch entscheidet, ist das unbedingt zu akzeptieren!
Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die praktisch keine Ausnahmen von der Schulpflicht zulassen. Dabei gibt es immer mehr ernst zunehmende Stimmen, die nicht nur das rigide deutsche Zwangssystem kritisieren, sondern auch plausibel darlegen, wie gedeihlich junge Menschen auch ohne einen Schulbesuch aufwachsen können. Was für ein erbärmliches Schulsystem, das junge Menschen nicht dadurch gewinnen kann, dass es lernwilligen Kindern (was alle Menschen von Natur aus sind) auf interessante und potentialfördernde Weise Wissen zu vermitteln versucht, sondern das sie durch Zwang, Bußgelder, polizeiliche Zuführung und schlimmstenfalls durch Freiheitsentzug an sich binden will.
Ich fordere daher alle 16 Schulministerien der deutschen Bundesländer und alle Schulämter auf: Unterlasst die Repressalien ab sofort! Weicht die Schulpflicht auf! Öffnet euch den Schulkritikern und tretet in den Dialog. Erarbeitet gemeinsam mit den immer zahlreicher werdenden Befürwortern einer freien, selbstbestimmten Bildung ein Konzept, nach dem jeder Mensch sich nach seiner Neigung individuell bilden darf.
Kein Kind soll mehr leiden auf Grund von Schulzwang!
Wer immer mag, darf diesen Aufruf teilen und in seinem Namen unterzeichnen.
Meine Gedanken sind bei der bedauernswerten jungen Frau, die nun tot ist, und ihrer Familie. Ich wünsche mir, dass sie die letzten Opfer eines vollkommen ungerechten und überholten Gesetzes waren und dass dieser schrecklich Tod, so sinnlos er auch ist, zumindest dazu beiträgt, dass eine sofortige Änderung eintritt.
Grevenbroich am 8. November 2018
Stefanie Weisgerber
Puh, jetzt schaffe ich es doch noch – in letzter Minute quasi – einen Beitrag vor der kommenden Bundestagswahl zu verfassen. War gar nicht so einfach, wo mein Mann über zwei Wochen krank danieder lag, ich selbst eine Woche gesundheitsbedingt ausgefallen bin und ich dann auch noch das Schulfrei-Festival und das Kolloquium der Freilerner-Solidargemeinschaft besucht habe. So langsam hole ich den Rückstand aber wieder auf und der angehäufte Berg an Liegengebliebenen wird zusehends kleiner. Prima, also dann!